Ursula von der Leyen hielt im Rahmen der September-Plenarsitzung des Europaparlaments zum zweiten Mal ihre jährliche Rede zur Lage der Union. Diese markiert den Start in einen neuen Politherbst in Europa. In ihrer knapp einstündigen Ansprache gab die Kommissionspräsidentin Rückblick und Ausblick über die „State of the Union“. Als Startpunkt wählte sie wenig überraschend die Maßnahmen der Europäischen Union gegen die Coronapandemie. Diese sind trotz der bekannten Startschwierigkeiten (Stichwort Impfstoffproduktion) und nur schwer verdaulichen „Kooperationsprobleme“ (Stichwort Grenzschließungen) durchaus sehenswert: Seit Dezember 2020 wurden EU-weit 533,4 Millionen Impfdosen verabreicht. Der Weg zur Normalität wurde auch durch das digitale Coronazertifkat geebnet, womit man sowohl auf der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck einen Kaffee trinken, auf Kefalonia in ein Hotel einchecken oder in Spa einen Formel 1 Grand Prix besuchen kann. Das ist Binnenmarkt, das ist Europa. Auch wirtschaftlich geht es für die EU bergauf. Aktuell liegen die EU-weiten Wachstumsprognosen bei 4,5%. Zum Vergleich – nach der Finanzkrise 2008 brauchten manche Staaten noch weitere zehn Jahre, um auf das Niveau vor der Krise zu kommen. Durch das 750 Milliarden Euro schwere Wiederaufbauprogramm „Next Generation EU“ werden alle EU-Staaten Ende 2022 wirtschaftlich auf dem Vorkrisenniveau sein. Das zeigt: Es geht es wieder nach vorne. Und das bedeutet, dass die Prioritäten jetzt umso klarer sein müssen.
"Klimapolitik hat zurecht auf allen politischen Ebenen Priorität."
Natürlich widmete Präsidentin Ursula von der Leyen einen großen Teil ihrer Rede einem zentralen Politikbereich der nächsten Jahre: Der Umweltpolitik und dem Klimaschutzpaket „Fit for 55“. Darüber wurde bereits viel gesprochen und wir werden gerade aus wirtschaftlicher Sicht noch viel mehr darüber sprechen müssen. Klimapolitik hat zurecht auf allen politischen Ebenen Priorität. Was wir jetzt brauchen ist Klimaschutz mit Hausverstand und den notwendigen Weitblick. Das bedeutet, das Ziel ist nicht Mobilität zu verbieten und Europa zu deindustrialisieren, sondern den Verkehrssektor und die Industrie zu dekarbonisieren. Wir wollen CO₂ einzusparen, egal welche Art von Antriebsart die Bürgerinnen und Bürger verwenden. Das bedeutet synthetische Treibstoffe und Bio-Treibstoffe müssen rasch marktreif werden. Technologieneutralität für alle Transportarten ist hier das oberste Gebot, um CO₂ einzusparen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten und auch ländliche Regionen nicht zu benachteiligen. Doch sieht das auch die Kommission so? Was genau steht in den Gesetzesvorschlägen zum „Fit for 55“ Klimaschutzpaket? Und warum braucht Europa für die leistbare Energiewende auch den Verbrennungsmotor?