Es ist kein Geheimnis: Ich bin Formel 1 Fan. Renntage sind für mich Feiertage, das Zusammenspiel aus Taktik, Technik und dem nötigen Momentum ist einfach faszinierend. Natürlich dreht sich in der Formel 1 vieles um die entscheidenden Überholmanöver. Dabei passiert öfters, was in der Boxengasse „Dirty Air“ genannt wird. Das sind Luftverwirbelungen hinter fahrenden Rennwagen, die das Überholen erschweren, weil man durch diese Turbulenzen viel Abtrieb verliert.
"Bürokratische Hürden auf der Schiene sind wie „Dirty Air“ in der Formel 1. Keiner braucht sie."
Diese Metapher beschreibt die Situation rund um den Brennertransit und die Diskussionen auf deutscher und italienischer Seite ziemlich akkurat. Dr. Peter Hilpold hatte, wie wir wissen, im Februar ein Gutachten präsentiert. Dieses Gutachten sollte für Tirol einiges an Luftwirbel erzeugen und ein argumentatives Überholmanöver erschweren. Es besagt bekanntlich, dass – pauschal gesagt – die Fahrverbote Tirols unverhältnismäßig und in weiterer Folge EU-rechtswidrig sind. Ein Vorwurf darin, der mindestens so wesentlich ist, wie ungerechtfertigt ist, lautet, dass die Tiroler Wirtschaft sich durch die Maßnahme „gesund Stoßen“ würde, da die Transportwirtschaft in Südtirol dramatisch eingebrochen ist, während das Tiroler Gütertransportgeschäft floriert. Ja, es stimmt, die Fachgruppe der Güterbeförderer in der WK Tirol ist gewachsen. Um ganze 85 Unternehmen im Zeitraum zwischen 2009 und 2020. Darauf sind wir stolz und es zeigt, dass die Tiroler Wirtschaft gute Arbeit leistet. Aber bei allem Stolz, den Grund für das vermeintliche Minus auf italienischer Seite sucht man hier vergeblich. Wenn man einen Grund für die Probleme finden möchte, sollte man einmal die wirtschaftliche Entwicklung Gesamt-Italiens betrachten. Die Staatsverschuldung lag dort bereits im Jahr 2019 bei 134,8 %, das BIP war zuletzt 2006 wirklich stabil.
Letzte Woche passierte allerdings etwas, das Tirol wieder in die Pole Position brachte: Kommissionspräsidentin Ursula Von Der Leyen äußerte sich als Antwort auf einen Brief, den sie von bayrischen Vertretern zur Situation bekam, erstmals zum Thema. Die Präsidentin drückte darin offen ihr Verständnis für die Tiroler Situation aus, insbesondere mit Blick auf die Luftgütekennzahlen. Balsam für die Tiroler Seele und ein kleiner Etappensieg für Tirol, der zeigt, dass eben nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts gilt. Der weitere Tenor: Alle betroffenen Regionen müssen sich zusammensetzen und Lösungen finden. Und nur so kann es auch funktionieren, nur gemeinsam können wir zu einer Lösung in der Brennertransitfrage kommen. Auf Ebene des Europäischen Parlaments geschieht das bereits. Ich habe mit Kolleginnen und Kollegen aus Bayern und Südtirol ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das zeigen soll, dass Güterbeförderung auf der
Schiene durchaus konkurrenzfähig zur Straße sein kann.
Dazu braucht es aber die richtigen Rahmenbedingungen, das heißt vor allem Abbau von bürokratischen Hürden beim Grenzübergang. Damit die Schiene ohne „Dirty Air“ zum Überholmanöver auf die Straße ansetzen kann. Aber dazu mehr in einer der nächsten Ausgaben. Das permanente Gegeneinander verhindert nämlich das eigentliche Ziel der Brennerlösung: Eine Verbindung, als beste Lösung für alle Beteiligten.