Die Tiroler EU-Abgeordnete Barbara Thaler berichtet von den Versprechen der Politik, die viel gepredigte Regionalität und die Chancen einer Corona-App. #Zammenhalten
Koste es was es wolle. Mehr Regionalität. Rückholung von Produktionen nach Europa. Bei den Versprechen ist man sich schnell einig. Gemessen wird die Politik aber an ihren Taten, an ihren konkreten Maßnahmen und am Ende des Tages an einer spürbaren Entlastung der heimischen Wirtschaft. Denn wenn in bestimmten Branchen schon vor der Krise, rund 30% aller Betriebe als überschuldete Unternehmen in der Verlustzone gelten, kann unser Standort nur schwer einer Krise trotzen. Die mangelnde Krisenresilienz hat verschiedenste Gründe. Natürlich liegt es in der Verantwortung jedes Unternehmers seinen Betrieb auf gesunde Beine zu stellen. Die Hochsteuer- und Niedrigzinspolitik treibt die Unternehmerschaft aber immer wieder zu neuen Investitionen. Dabei bleiben die Eigenmittel und somit der Polster für schlechte Zeiten auf der Strecke. Einfach gesagt: Unsere Betriebe haben mehr von ihrem Geld, wenn sie es ausgeben, anstatt Rücklagen zu bilden.
Daten sind begehrter als das Klopapier am Beginn der Coronakrise!
Gerade deshalb haben die Forderungen von vor der Krise immer noch ihre Berechtigung: Steuersenkungen, Entlastung von Arbeit und Bürokratieabbau. Was am Ende dieser Krise von der viel gepredigten Regionalität übrig bleibt, wird man sehen. Wir sollten unsere heimische Wirtschaft aber nicht nur in Krisenzeiten hochhalten. Für die Wirtschaft wird der Weg aus der Krise sicher nur mit Planungssicherheit und einem schrittweisen Zurück in die Normalität funktionieren. Denn der europäische Binnenmarkt ist unser erfolgreichstes Solidaritätsinstrument. Dem Tourismus ist beispielsweise mit der schrittweisen Rückkehr der europäischen Reisefreiheit und der Grenzöffnungen am besten geholfen. Aber wie können wir uns in Zukunft – trotz Corona – sicher bewegen?
Solange es keinen Impfstoff und keine Medikamente gibt, ist diese Krise nicht überwunden. Wir müssen uns Wege überlegen, wie wir „mit“ dem Virus leben. Desinfektionsmittel allein ist zu wenig. Eine Tracing-App kann helfen, die sehr aufwändige Nachverfolgung von Covid-19-Kontaktpersonen zu beschleunigen. Dabei geht es nur um die Nachverfolgung von Kontakten im Infektionsfall: Also Tracing, keine Standortdaten oder Echtzeitverfolgung (Tracking). Im Sinne der Eigenverantwortung muss die App freiwillig sein. Oberstes Gebot sind die Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen zum Schutz der Privatsphäre. Dabei dürfen nur die notwendigsten Daten dezentral ohne Standortdaten und nicht länger als sie medizinisch relevant sind, gespeichert werden. Die Kommission hat gute Leitlinien erarbeitet. Ich wünsche mir, sie würde einen Schritt weitergehen und eine wirklich europäische Lösung forcieren. Wir brauchen eine einheitliche Strategie in Europa, um den Alltag zurückkehren zu lassen und Reisefreiheit zu ermöglichen. Dabei ist die europäische Datenhoheit das Gebot der Stunde. Daten sind begehrter als das Klopapier am Beginn der Coronakrise. Mit jeder privaten App „verschenken“ Nutzer zahlreiche persönliche Daten und erlauben Einblick in ihr Smartphone – vom Zugriff auf die Kontakte bis zum Mithören über das Mikrofon. Eine staatliche App-Lösung zum Schutz unserer Gesundheit stößt jetzt aber auf überraschenden Widerstand. Nicht, dass diese kritische Auseinandersetzung mit der Verwendung von Daten etwas Schlechtes ist. Vielmehr überrascht mich, dass wir beim Staat kritischer sind als gegenüber digitaler Großkonzerne. Auch ich bin sehr zurückhaltend mit meinen Daten. Doch wenn wir einer gut gemachten digitalen Lösung unser Vertrauen schenken, können wir Freiheiten in unserem Leben zurückgewinnen. Dabei stellt sich auch die Frage: Muss es wirklich eine Handyapp sein? Kann es nicht auch eine Alternative, wie z.B. ein Tracing-Anhänger oder Armband sein? Die Debatte bleibt spannend!