Liebe Leserin,
Lieber Leser,

morgen wählen wir ein neues Europaparlament und damit endet auch bald meine Zeit als Abgeordnete in Brüssel und Straßburg. Ich möchte mich mit ein paar „ungeschminkten“ Zeilen verabschieden und danke sagen, dass ihr meinen EU-Infos in den letzten Jahren die Treue gehalten habt.

Ungeschminkt deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass man am Ende des Tages Probleme nicht löst, wenn man sich Vergangenheit und Gegenwart schönredet. Das wäre lediglich bequem für den Moment und würde einen Weg fortführen, den ich persönlich als falsch empfinde. Es wäre obendrein unaufrichtig, da ich tausende (!) Stunden allein damit verbracht habe um Gesetze in eine andere Richtung zu lenken. Manchmal gelang es, oft aber nur in Teilen – dazu aber später etwas mehr, starten möchte ich nämlich mit einer persönlichen Frage:

Hand aufs Herz, wie hat die Europäische Union unser Leben in den letzten fünf Jahren einfacher gemacht? Was wurde leistbarer, was wurde besser?

Eigentlich leichte Fragen, die nicht so schwierig zu beantworten sein sollten. Noch dazu wenn die grundlegenden Ziele, die wir in den letzten fünf Jahren hatten, jeder Mensch im Prinzip unterstützt. Ich kenne bis heute niemand der sagt, dass wir nicht auf unsere Umwelt achtgeben sollen, dass wir nicht mit unseren Nachbarn zusammenarbeiten sollen. Das wir weder den Wohlstand noch die Möglichkeiten brauchen, die ein geeintes und friedvolles Europa bietet.

Ums österreichisch zu sagen: „Na no na net“ Die konkreten Gesetze werden aber nicht begrüßt, sondern im besten Fall neutral hingenommen. Ums plakativ zu sagen, wer jubelt über die neuen Trinkverschlüsse und dass wir statt Plastik nun Papierstrohhalme haben? Die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll will niemand, aber waren die Verbote wirklich die beste Lösung für das Problem? Zugegeben, die Auswahl dieses Beispiels kann man kritisieren, aber es steht symptomatisch für viele Gesetze, die erst in ein paar Jahren voll in Kraft treten. Was ist zum Beispiel gut daran, dass man ab 2029 keine bestehenden Wasserkraftwerke für die Produktion von grünem Wasserstoff verwenden darf?

Aber ich will mich nicht im Detail verheddern. Was bleibt ist, dass man zwar die Ziele der EU unterstützt, aber nicht was die EU konkret macht um die Ziele zu erreichen.

Wo ist also das große Problem, welche „Zutat“ fehlte in den letzten fünf Jahren? Warum ist der Weg falsch? Die durchaus komplexe Antwort auf diese Fragen hat für mich einen gemeinsamen Nenner – und der ist Freiheit. Es ist die größtmögliche Freiheit des Einzelnen, egal ob privater Bürger, Landwirtin oder Unternehmer. Diese Freiheit kommt unter die Räder, wenn alles bis ins kleinste Detail durchgeregelt und berichtet werden muss. Der CO2 Gehalt von Sägespänen genauso wie der Wassergehalt von Kuhmist, wenn man daraus Biokraftstoffe machen will.

Es sind aber die Freiheiten, die wir in Europa haben, die Europa so lebens- und liebenswert machen. Diese Freiheiten sind Quell unseres Wohlstandes und unserer Wettbewerbsfähigkeit.

Es waren diese Freiheiten, die größer wurden als Österreich der EU beigetreten ist. Aber diese persönliche Freiheit wurden in den letzten Jahren mehr und mehr eingeschränkt. Im Namen von hehren Zielen, basierend auf dem „political flavour of the season“.

Die EU und hier meine ich ausdrücklich Kommission, Rat und EU-Parlament engten mir bei fast jeder Maßnahme im Rahmen der Green Deal Gesetzgebung den Entscheidungsspielraum und die Handlungsfreiheit des Einzelnen ein. Egal ob Käufer oder Produzentin. Es gilt dabei die einfache Faustregel, dass umso ambitionierter die (Umwelt)Ziele sind, umso weniger Freiheit für den Einzelnen bleibt über. Das muss zwar nicht zwangsläufig so sein, dieser Weg wurde aber von der Kommission gewählt und leider von einer (knappen) Mehrheit im EU Parlament wiederholt bestätigt. Diesen gewählten Weg halte ich für falsch.

Und so vehement ich gegen diesen Ansatz auch angekämpft habe, so sehr verstehe ich die Verlockung die darin liegt. Freiheit ermöglicht eben persönliche Entscheidungen und diese sind eben nicht planbar, sie sind chaotisch. Legt man aber in tausenden an Seiten Gesetzestext bis ins kleinste Detail fest wieviel CO2 wann, wo, wie und womit eingespart werden muss, dann wird Entscheidungsfreiheit eher als Problem und nicht als grundlegendes unverrückbares Prinzip einer freien Gesellschaft begriffen. Im Brüsseler Jargon nennt man diese Art der Gesetzgebung dann auch sehr transparent „Command & Control legislation“.

Es ginge aber auch anders. Das Emissionshandelssystem ist ein Paradebeispiel wie man Umweltziele und persönliche sowie unternehmerische Freiheit in Einklang bringen kann. Beides gleichzeitig zu machen ist aber regulatorisch unnötig, wirtschaftlich kontraproduktiv und obendrein bevormundend. Dazu kommt, dass niemand die Konsequenzen auf alle anderen relevanten Bereiche unseres Lebens jenseits der gewünschten CO2 Einsparung tatsächlich ab- und einschätzen kann. Wir wirken die Gesetze im Verbund in fünf Jahren? Was machen China und Amerika? Je starrer die eigenen Regeln sind, umso weniger kann man flexibel reagieren, wenn man muss.

Milliarden an Euros werden so nach Planvorgabe investiert, nicht ausgerichtet an der eigentlichen Nachfrage am Markt und der Verfügbarkeit von Rohstoffen. Im Gegenteil, Unternehmen müssen mehr und mehr produzieren was politisch vorgegeben wird.

Wenn dann zum Beispiel ein Krieg ausbricht, oder eine Pandemie, oder man entdeckt, dass China und Amerika Eigeninteressen haben, dann fragen sich nicht nur Kinder, wie schön des Kaisers neue Kleider tatsächlich sind. Kurz zur Landwirtschaft. Wir sehen nun, dass ukrainische Bauern, obwohl sich das Land gerade mit im Krieg befindet, immer noch billiger produzieren können als unsere Bauern. Anstatt die Produktionsbedingung für Bauern zu verbessern, werden nun Bauernverbände kritisiert, wenn sie nach Schutzzöllen rufen.

Ich bin für freien und fairen Handel, ich verstehe aber, dass Handel bedrohlich ist, wenn man sich selbst mit überzogenen Vorschriften fesselt. Ich habe auch die Befürchtung, dass der Landwirtschaftssektor nur der Anfang ist und andere Sektoren bald folgen werden, wenn wir den gewählten Weg der klein-klein Regulierung so weiter gehen. Das würde dann für uns alle einen gewaltigen Wohlstandsverlust bedeuten.

Die heftige Auseinandersetzung rund um Umweltschutzthemen bzw. den Green Deal drehten und drehen sich deshalb nie um: „für“ oder „gegen“ die Umwelt, wie manche in Österreich es so gerne vermitteln wollen, sondern darum ob ein Gesetz, Menschen als Bürger behandelt oder doch mehr als unmündige Untertanen, welche regulatorische „Lenkung“ bis in Alltagsentscheidungen hinein benötigen.

Was wurde eigentlich besser, billiger und einfacher seit es ein europäisches Gesetz gibt wie man seine eigenen vier Wände isolieren und heizen muss? Wer hat darauf gewartet, dass endlich ein europäisches Gesetz sagt, wie man sich von A nach B bewegen soll? Braucht es tatsächlich europäische Vorschriften, damit Landwirte so produzieren, damit auch die nächste Generation noch den Boden des (Erb)Hofes bewirtschaften kann?

Denn das sind alles Entscheidungen die meiner Meinung nach jeder Einzelne treffen soll und muss und wenn schon nicht der Einzelne, dann die Region oder das Mitgliedsland. Eine Demokratie kann eben nur blühen, wenn Bürger selbstverantwortlich und vor Ort Entscheidungen treffen können.

Wir hatten aber in den letzten fünf Jahren eine Mehrheit in Europa die das anders sah. Folgerichtig vernimmt man nun quer durch Europa von bürgerlichen Parteien den Ruf: „Europa ja, aber…“ Und das ist die ehrliche Antwort auf das was in den letzten Jahren passierte. Es braucht Reparaturen und das ist auch möglich.

Die neue strategische Ausrichtung des Europäischen Rates (Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit) wird, sollte sie richtig implementiert werden, uns Allen in Europa guttun.

Gerade deshalb steht meine potenzielle Nachfolgerin Sophia Kircher aber auch vor einer großen Herausforderung, denn diese unterstützenswerten Ziele dürfen eben nicht wieder auf Kosten der persönlichen Freiheit und nicht auf Kosten der Regionen und Mitgliedsstaaten realisiert werden. Wie schon beim Umweltschutz geht es nicht um das Ziel an sich, sondern wie man es gedenkt zu erreichen. Oftmals braucht es dabei den Mut etwas nicht zu regeln, oder nur einen großzügigen rechtlichen Rahmen festzulegen. Denn wenn es zu eng wird, dann nimmt man sich unweigerlich selbst die Luft zum Atmen. Es gilt: In der Beschränkung zeigt sich der Meister.

Ich weiß, dass Sophia das Rüstzeug und die Disziplin mitbringt, um uns in Brüssel würdig zu vertreten. Ich weiß auch, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, welcher Abgeordneter oder welche Abgeordnete wo sitzt und deshalb möchte ich Euch zum Abschluss bitten, Sophia so zu unterstützen wie ihr mich unterstützt habt.

Danke und alles Gute für die Zukunft.
Es lebe Europa!

Eure Barbara